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Interview der Woche mit Sabine L. Distler, Geschäftsführende Gesellschafterin des gemeinnützigen Vereins „Curatorium Altern gestalten“

In Mittelfranken leben rund 33.500 Menschen mit einer diagnostizierten Demenz, oftmals zuhause mit und bei ihren Angehörigen. Wie kann man sich ihren Alltag vorstellen? Welche Angebote gibt es, die Abwechslung bieten können?

Die Lockdowns lassen uns gerade alle mal so fühlen, wie es Menschen mit Demenz und deren Angehörige auch ohne Corona erleben. Es gibt für sie wenig Angebote und damit fast keine Möglichkeit für eine sinnvolle Freizeitnutzung. Das Leben wird schnell eintönig und einsam. Für uns wird es irgendwann mal wieder normaler werden, für Ältere muss sich endlich strukturell etwas ändern. Wir müssen sie mit ihren Erfahrungen und Interessen ernst nehmen und dementsprechend neue Freizeitangebote entwickeln. Und ja – Menschen jeden Alters, auch mit demenzieller Veränderung – wünschen sich Bildung und Erlebnisse.

Bei unseren gemeinsamen „Tribünengeschichten“ geht es um Fußball und damit um ein überwiegendes „Männerthema“. Sollen Frauen dabei bewusst weniger angesprochen werden?

Auf keinen Fall – Frauen sind herzlich willkommen. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass vor mehr als 50 Jahren mehr Männer als Frauen auf den Tribünen standen als heute und damit mehr Clubgeschichten kennen. Wir freuen uns besonders, wenn Töchter oder Söhne bei diesem derzeit digitalen Angebot ihre Lieben unterstützen und somit helfen, die Freude gemeinsam teilen.

Wenn Sie sich für uns jetzt in einen älteren Clubfan oder auch in einen Spieler der Meister- und Traditionsmannschaft hineinversetzen: Was löst das gemeinsame Erinnern und Sprechen über vergangene Ereignisse in einem Menschen aus? Kann Fußball hier zu einem emotionalen Katalysator werden?  

Absolut. Wettbewerbe, Sieg und Niederlage gehören mit zu den stärksten emotionalen Momenten in jedem Leben. Fussballfans feiern und trauern, sind eng mit ihrem Verein verbunden. Sie gehen eine soziale Bindung mit Leidenschaft ein. Dieses feste Band bleibt bis ins hohe Alter bestehen, genauso wie die Erinnerung an erlebte Höhen und Tiefen. Diese mit anderen aus dem Gedächtnis zu kramen, ist ein Gewinn für den Fan sowie für den früheren Spieler.

Auch im Fußballgeschäft selbst wird Demenz mehr und mehr thematisiert. Das Leiden von Schalke-Legende Rudi Assauer bewegte viele Menschen, aktuelle Studien untersuchen die Zusammenhänge von Profi-Fußball und einem erhöhten Demenzrisiko. Welche gesellschaftliche Rolle nimmt der Fußball Ihrer Meinung nach bei der Auseinandersetzung mit dem Thema Demenz ein? Welchen Beitrag können Vereine hier zusätzlich leisten?

Rudi Assauer hat durch die Veröffentlichung und Begleitung seiner Erkrankung viel für die Enttabuisierung von Demenz geleistet. Fussballvereine müssen sich präventiv diesem wichtigen Thema öffnen, insbesondere wenn sich ein erhöhtes Demenzrisiko bei Profifussballern durch Kopfbälle weiter bestätigt und Maßnahmen notwendig werden. Was Vereine noch leisten können? Alle, die ihrem Verein treu geblieben sind, müssen einen Platz darin behalten. „Tribünengeschichten“ ist so ein wunderbares Angebot – sie aktivieren Gefühle an glorreiche Zeiten und stärken die Verbundenheit zwischen Cluberern und ihrem Club.